Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Keck,
auch Reutlingen wurde von der nachfolgenden Tatsache eingeholt.
Situation:
Der örtliche Einzelhandel schrumpf. Die Kundschaft kauft online. Die Transportkosten sind wenig oder gar nicht spürbar, da Bestellung und Rücksendung oft kostenfrei angeboten werden. Die Kunden bestellen gleich mehrere Größen eines Artikels, wohlweislich dass nur eines behalten wird und der Rest kostenfrei zurückgesendet wird. So konditioniert sich ein Bestellverhalten, frei von dem Gedanken der Abfallvermeidung und der Ressourcenschonung. Ganz krass ist es bei zwei bekannten, asiatischem Onlinehandeln, deren Waren per Luftfracht geliefert werden und deren Rücksendungen offenkundig im Empfängerland verschrottet werden.
Die Stadt Tübingen hat eine Verfassung zu einer Verpackungssteuer erlassen, deren Rechtmäßigkeit vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 24.05.2023 (Az. BVerwG 9 CN 1.22) entschieden, dass die Verpackungssteuer der Stadt Tübingen im Wesentlichen rechtmäßig ist. Danach können Städte und Gemeinden grundsätzlich eine Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen erheben, um hierdurch u.a. einen Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen zu setzen. Die Entscheidung stärkt auch das gemeindliche Steuerfindungsrecht. (siehe Homepage des Deutschen Städte- und Gemeindetages) Daraus folgend stellt die WiR-Fraktion folgende Anfrage:
1) Wie könnte die Stadt Reutlingen eine Verpackungssteuer für Pakete und Päckchen erheben, der Gestalt, dass die großen, überregionalen Paketversender z.B. 2 EUR pro ausgeliefertem Paket und Päckchen in Reutlingen als Steuer an die Stadt entrichten?
2) Wäre eine derartige Paket-Verpackungssteuer rechtmäßig?
3) Wäre Herr Oberbürgermeister Keck bereit, ein derartiges Anliegen zur Stützung des Einzelhandels der Innenstädte und zur Vermeidung von Einwegverpackungen, in die Diskussionen des Städtetages als Forderung einzubringen?
Begründung:
Die WiR-Fraktion möchte den örtlichen Einzelhandel unterstützen und suchen nach klugen Ideen, wie wir die falschen Anreize des kostenlosen Transportes bei Online-Bestellungen reduzieren können.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund führt aus seiner Homepage aus:
https://www.dstgb.de/themen/kommunale-abfallwirtschaft/aktuelles/bverwg-kommunale-verpackungssteuer-rechtmässig/
Der erstinstanzliche Normenkontrollantrag gegen die Satzung hatte vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Erfolg. Der VGH erklärte die Satzung insgesamt für unwirksam und begründete dies mit der fehlenden Örtlichkeit der Steuer, ihrer Unvereinbarkeit mit dem Bundesabfallrecht sowie der mangelnden Vollzugstauglichkeit der Obergrenze der Besteuerung.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die kommunale Steuer nun für überwiegend rechtmäßig erklärt. Nach Ansicht des Gerichts handele es sich bei der Verpackungssteuer um eine örtliche Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, für deren Einführung die Stadt Tübingen zuständig war. Bei den zum unmittelbaren Verzehr, sei es an Ort und Stelle oder als „take-away“, verkauften Speisen und Getränken ist der Steuertatbestand so begrenzt, dass ihr Konsum – und damit der Verbrauch der zugehörigen Verpackungen – bei typisierender Betrachtung innerhalb des Gemeindegebiets stattfindet. Damit ist der örtliche Charakter der Steuer hinreichend gewahrt.
Die kommunale Verpackungssteuer steht als Lenkungssteuer auch nicht im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes. Sie bezweckt die Vermeidung von Verpackungsabfall im Stadtgebiet und verfolgt damit auf lokaler Ebene kein gegenläufiges, sondern dasselbe Ziel wie der Unions- und der Bundesgesetzgeber.
Die Abfallvermeidung steht in der Abfallhierarchie an oberster Stelle. Erst danach folgen Wiederverwendung, Verwertung und Beseitigung des Abfalls. Kommunale Steuern, die Einwegverpackungen verteuern, werden durch die verschiedenen unions- und bundesrechtlichen Vorgaben zum Abfallrecht nicht ausgeschlossen. Soweit das Bundesverfassungsgericht vor 25 Jahren seine gegenteilige Ansicht zur damaligen Kasseler Verpackungssteuer auf ein abfallrechtliches „Kooperationsprinzip“ gestützt hat, lässt sich ein solches dem heutigen Abfallrecht nur noch in – hier nicht maßgeblichen – Ansätzen entnehmen.
Es ist höchste Zeit zu handeln. WiR gehen es an.
Mit freundlichen Grüßen
Für die WiR-Fraktion
Prof. Dr. Jürgen Straub (Fraktionsvorsitzender)
Marco Wolz
Sven Lange